Mit Anfang 20 arbeitete ich in den Semesterferien in einem christlichen Freizeitheim in England gemeinsam mit 50 jungen Freiwilligen aus aller Welt. Nach sechs intensiven Wochen hieß es für mich Abschied nehmen. Ich stand also in der Eingangshalle des Freizeitheims und wusste nicht recht, was ich den Einzelnen zum Abschied sagen sollte. Puh, habe ich mir einen abgestottert.
Wie damals heißt es für mich auch jetzt, Abschied zu nehmen und Worte zu finden, u.a. im Rahmen dieses Gemeindebriefes. Doch was kann ich Euch und Ihnen neben einem großen „Dankeschön“ für alle Herzlichkeit, Unterstützung, Nachsicht und vielem mehr in Brockhagen, Steinhagen und Harsewinkel mit auf den Weg geben? Ich schaue in die Bibel und frage mich: Wie beendet z.B. Paulus seine Briefe?
Seine Briefe, die – im Vergleich zu heutigen – ziemlich lang sind. Briefe, die also allein durch ihre Länge, die Verbundenheit von Paulus zu den Gemeinden zeigten und wie viel er ihnen mit auf ihren Weg geben wollte.
Wie man solche Briefe richtig beendet, war bestimmt für ihn eine wichtige Frage. Denn es sind nun einmal nicht irgendwelche Worte, sondern die letzten Worte, die von den Empfängern gelesen oder gehört werden. Paulus scheint auf jeden Fall irgendwann seine Abschlussworte gefunden zu haben, denn viele Briefe enden mit einem bestimmten Zuspruch: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!“
Es stellt sich die Frage: Warum wählt Paulus diesen vermeintlich floskelhaft-klingenden Satz?
Weil in ihm die EINE Voraussetzung für die Liebe Gottes für uns festgehalten wird: „Die Gnade von Jesus Christus“. D.h. die Liebe Gottes für mich ist nicht von einer Voraussetzung abhängig, die wir noch erfüllen müssten, sondern von einer Voraussetzung, die Jesus in der Vergangenheit bereits erfüllt hat. Durch sein Leben und sein Sterben am Kreuz hat Jesus Christus alles, was zwischen mir und Gott steht für alle Zeit ausgeräumt. Durch die Gnade von Jesus Christus ist mir also die Liebe Gottes sicher.
Und diese Erkenntnis kann in jedem Moment meine Perspektive verändern: Wenn zum Beispiel zurückliegende Versäumnisse und Fehler in mir Gefühle der Wertlosigkeit auslösen, dann kann ich mich aufgrund der Gnade von Jesus Christus daran erinnern, dass ich bei Gott einen unverlierbaren Wert habe. Oder wenn mir etwas in der Zukunft Angst bereitet, dann kann ich mich aufgrund der Gnade von Jesus Christus in der Hand dessen gehalten wissen, der größer ist als alles, was mir schaden kann.
Durch die Gnade von Jesus Christus darf ich wissen: Gott liebt mich und wird mich immer lieben. Und diese Gewissheit verändert alles. Aus diesem Grund hat Paulus diese Worte immer an den Schluss seiner Briefe gesetzt. Denn eine wichtigere Erkenntnis kann man einem Menschen nicht mit auf den Weg geben.
Und darum lauten nicht nur Paulus, sondern auch meine Abschiedsworte an Euch: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch.“
Ihr und Euer Andreas Hoenemann

Bild: Pfarrer Andreas Hoenemann; er verlässt im Oktober Brockhagen


