Liebe Mitglieder unserer Gemeinde,
wenn man genau hinschaut, dann sind an der östlichen Giebelseite unserer Kirche die Spuren einer Stromleitungsanbindung noch zu sehen. Früher waren die Stromkabel oberirdisch und kamen direkt an den Häusern an. So auch an unserer Kirche. Eine schöne Metapher für den Heiligen Geist: Hochspannung in der Kirche.
Durch die Modernisierung des Stromversorgungsnetzes sind die Stromleitungen nunmehr unterirdisch. Und mit ihrem Verschwinden sind auch die meisten Transformatorenhäuschen, die „Trafo-Stationen”, verschwunden.
Heute sind die „Trafos” meist in Geschäfts- und Wohngebäuden eingebaut. Wenn auch nicht immer sichtbar, so sind sie doch unverzichtbar, um die Stromversorgung mit Haushaltsstrom zu gewährleisten. Ohne Trafo kein Saft in der Leitung zu Hause. Aber auch in unseren Wohnungen sind viele, kleine Trafos verbaut: im Fernseher, im Toaster, im Rasierer oder in der Musikanlage, wir brauchen Trafos in den Ladegeräten für unsere Handys und Computer. Kleine Helfer des Alltags – gute Geister und sehr wirksam: Ein Trafo kann elektrische Energie aus einem Stromnetz höherer Spannung in ein Stromnetz niedriger Spannung einspeisen.
D.h. die grundlegende Aufgabe eines Trafos ist die „Transformation”, die Umwandlung. Dieser Begriff wird nun immer häufiger jenseits der technischen Bereiche benutzt. Unter Transformation versteht man dann einen Prozess der Veränderung, von einem aktuellen Zustand hin zu einem angestrebten Ziel-Zustand in der nahen Zukunft. Eine Transformation repräsentiert einen fundamentalen und dauerhaften Wandel. Und genau das erleben wir auch in unserer Kirche und in unserer Gemeinde. Es ist nicht nur ein einziger Wandlungsprozess, der stattfindet, sondern es sind mehrere gleichzeitig. Am sichtbarsten ist der Wandlungsprozess im pastoralen Bereich.
Transformation – Hatten wir in unserer Kirchengemeinde bis vor einem Jahr noch 2 Pfarrstellen, so ist es heute nur noch eine Pfarrstelle. Im Bereich der Gottesdiensttermine haben wir darum u.a. eine Anpassung vorgenommen.
Transformation – In den nächsten 10 Jahren gehen 2/3 aller Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand. Die Zahl der nachkommenden Pfarrerinnen und Pfarrer kompensiert diesen demografischen Wandel nicht. So wurden Personalplanungsräume gegründet, um die pastorale (Grund-)Versorgung in der Zukunft flächendeckend zu gewährleisten.
Transformation – Als erste Gemeinde im Kirchenkreis haben wir im letzten Jahr auf den Pfarrstellenabbau mit der Errichtung einer Stelle im Interprofessionellen Pastoralteam (IPT) reagiert.
Dabei haben wir gelernt, dass eine IPT-Stelle keine Pfarrstelle ist und eine neue Aufteilung und Struktur des gemeinsamen pfarramtlichen Dienstes erfordert.
Transformation – Nach dem Ausscheiden von Diakonin Louisa Schwarze haben wir die Stelle neu ausgeschrieben. Da mittlerweile viele neue IPT-Stellen in unserer Landeskirche errichtet wurden, war die Frage der Wiederbesetzung keine Selbstverständlichkeit, denn wir befanden uns dieses Mal mit anderen Kirchengemeinden in einem größeren Wettbewerb um eine kirchliche Fachkraft. Es hat Zeit und Kraft gekostet, aber wir waren erfolgreich und können am 1. Oktober eine neue Diakonin begrüßen. Sie heißt Simone Hansen, und sie wohnt in Harsewinkel.
Transformation – Auch im Bereich des kirchlichen Gebäudebestandes. Die ehemalige Pfarrdienstwohnung an der Clarholzer Str. wird in eine Diakoniestation umgebaut, verbunden mit viel Zeit und Geduld. Weitere Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen z.B. am und im Gemeindehaus sind sichtbar geworden (so der „Laubengang” zwischen Kirche und Gemeindehaus) und müssen angegangen werden bzw. sind bereits in Bearbeitung.
Transformation – Unsere Gottesdienstbesucher werden nicht jünger. Schon lange wurde der Wunsch nach einer Mikrofon- und Lautsprecheranlage in der Martin-Luther-Kirche geäußert. Nach sorgfältiger Abwägung und Angebotssichtung wurde Anfang August eine solche Lautsprecheranlage in der Kirche installiert inkl. Video- und Leinwandtechnik.
Transformation – Seit dem Ende der Corona-Krise erleben wir einen Rückgang des Gottesdienstbesuchs und die vermehrte Frage nach alternativen Gottesdiensten bzw. nach Gottesdienstangeboten mit besinnlichem oder meditativem Ansatz. Mit der neuen Gottesdienstform „Spätlese”, immer am 1. Samstagabend um 19 Uhr in der Christuskirche, möchten wir dieser Nachfrage entgegenkommen.
Nun ist es ja nicht so, dass nur die Kirche Transformationen erlebt. Wir alle erleben tiefgreifende Veränderungen, besonders in den letzten 3 Jahren – persönlich, beruflich, wirtschaftlich, gesamtgesellschaftlich und auch geopolitisch. Diese großen Veränderungsprozesse, die spürbar auf unser Leben einwirken, verunsichern. Unser Glaube an Gott ist eine Kraft, die unserem Leben einen verlässlichen Halt aufzeigt – und einen Ort, der Beständigkeit signalisiert in eine Welt der Veränderungen hinein. Dafür stehen sichtbar unsere Kirchen und die Gottesdienste in ihnen. Unser Glaube an Gott bietet einen Anker in der Zeit, um nicht abzutreiben; ein Kompass für eine Lebensorientierung mit Tiefgang und Hoffnung.
Die christliche Lebensbotschaft muss nicht gewandelt werden, aber in ihrer Vermittlung transformiert.
Ich glaube fest daran, dass Gottes Hochspannungsnetz unverändert und unvermindert da ist. Und darum glaube ich, dass es in unserem kirchlichen Leben viele kleine Trafo-Stationen erfordert. Nur sind es bei uns nicht technische Gerätschaften, sondern Menschen – HelferInnen und gute Geister, die die Energie Gottes spüren und weitergeben. Es sind einerseits unsere vielen, vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden. Aber auch jedes einzelne Gemeindemitglied. Gottes Trafo-Stationen – unverzichtbar. Denn: Ohne Trafo kein Saft in der Leitung.
Ich grüße Sie und Dich herzlich!
Dein/Ihr Jörg Eulenstein